„Islam in den säkulären Rechtsstaaten Europas“ – Vortrag von Mathias Rohe

Mathias Rohe am Rednerpult im vollbesetzten Plenarsaal
Bild: Bayerische Akademie der Wissenschaften

Kann der Islam zu Europa gehören? Diese Frage ist nicht in einem Satz zu beantworten. In seinem Abendvortrag an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München widmete sich Prof. Mathias Rohe den vielfältigen Strömungen des Islams. Als Jurist und Islamwissenschaftler verdeutlichte Rohe, wie sich diese Strömungen zu den Rahmenbedingungen europäischer Rechtsstaaten verhalten.

Im vollbesetzten Plenarsaal folgte im Anschluss eine angeregte Diskussion mit dem Publikum. Der Vortrag wurde von ARD-alpha aufgezeichnet.

Religion ist auf die Agenda moderner Gesellschaften zurückgekehrt. Vor allem außerhalb Europas entfalten religiöse Akteure verstärkt große Mobilisierungskraft, erzeugen mit ihren Sinnangeboten und Weltdeutungen aber auch neue Konflikte. Religion kann zur inneren Integration von Gesellschaften beitragen, aber auch Polarisierungstendenzen zwischen unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften und ethnischen Gruppen verstärken sowie die Exklusion der jeweils Anderen, Fremden begründen. Keineswegs nur im modernen politischen Islam mit seinen Konzepten des „Heiligen Krieges“ oder des „Islamischen Staates“, sondern auch in anderen Religionsgemeinschaften einschließlich verschiedener Christentümer lässt sich viel neue Glaubensgewalt beobachten. Zu den normativen Konflikten, die religiöser Glaube in der Moderne erzeugt, gehören auch die Spannungen zwischen Religion und säkularen Wissensordnungen, etwa die elementaren Antagonismen zwischen Glaubensgewissheit und wissenschaftlicher Vernunft. Indem der freiheitliche Rechtsstaat Religionsfreiheit als vorstaatliches Grundrecht institutionalisiert, ermöglicht er die freie Entfaltung ganz unterschiedlicher religiöser Weltdeutungen und Orientierungssysteme, gibt so aber auch religiösen Akteuren Raum, die die Geltung staatlichen Rechts aufgrund ihres „göttlichen Rechts“ in Frage stellen und das Gewaltmonopol des Staates mit Unbedingtheitspathos bestreiten. So haben sich auch die Spannungen zwischen Religion und positivem Recht seit den 1980er Jahren in vielen Gesellschaften dramatisch verschärft. In einer groß angelegten Vortragsreihe geht die Bayerische Akademie der Wissenschaften von Sommer 2015 bis Herbst 2017 der hohen Vielfalt neuer religiöser Konfliktdynamiken in der Gegenwart nach. Die Schattenseiten religiösen Bewusstseins sollen ebenso erkundet werden wie die schnelle Durchsetzungskraft neuer charismatischer Christentümer, die damit kontrastierenden Erosionstendenzen in den klassischen Volkskirchen sowie die Faszinationskraft alternativer Sinnstiftungsangebote bis hin zur Esoterik.