Faktencheck Islam – Mathias Rohe kommentiert

Islamisches Gebet, Blick von oben auf ausgestreckte Hände, Gebetskette und Gebetsteppich
Bild: panthermedia.net/Arne Trautmann

Legitimiert islamisches Recht den Einsatz von Gewalt? Ruft der Koran zur Ermordung von Ungläubigen auf? Und was hat es mit der „Islamisierung des Abendlandes“ auf sich? Diesen Fragen widmet sich Mathias Rohe, Gründungsdirektor des EZIRE, in einer neuen Serie des Focus. Im „Faktencheck Islam“ räumt Rohe mit Mythen und Halbwahrheiten auf, die insbesondere von Anhängern rechter Parteien und Gruppen wie Pegida verbreitet werden.

Im ersten Teil der Serie widmet sich Rohe der Tötung von Ungläubigen im Koran. Der Islamwissenschaftler stellt klar, dass es tatsächlich „sperrige Stellen“ im Koran gebe, die als Aufrufe zur Gewalt an Nichtmuslimen gelesen werden könnten. Hier komme es auf die jeweiligen Interpreten an. Rohe macht aber deutlich, dass die meisten Muslime diese Textabschnitte auf den historischen Kontext kriegerischer Auseinandersetzungen mit heidnischen Mekkanern und nicht auf die heutige Zeit bezögen. Die besagten Textstellen seien eher als historische Berichte denn als Aufrufe zur Tötung um der Religion willen zu verstehen. Weiterhin hebt Rohe hervor, dass es weitaus mehr Stellen im Koran gebe, die den Respekt gegenüber anderen Religionen, insbesondere des Christen- und Judentums, hervorhöben.

Der zweite Teil der Focus-Serie widmet sich anschließend dem von Pegida-Anhängern oft vorgebrachten Vorwurf, durch muslimische Migranten würde das „Abendland islamisiert“. Rohe hebt hervor, wie „unseriös“ und „unfair“ solche Befürchtungen seien. Derlei „Horrorzahlen“ entbehrten jeglicher Basis. Die Geburtenzahlen muslimischer Migranten würden sich nach wenigen Generationen denen ihrer Umgebung anpassen. Davon abgesehen suggerierten derartige Vorwürfe, dass es einen einheitlichen muslimischen „Block“ gebe, was laut Rohe nicht der Fall sei.

Das Gewaltpotential der Scharia greift Rohe in Teil drei der Serie auf. Zunächst räumt er mit der Annahme auf, dass die Scharia ein einheitlicher Gesetzestext sei. Es gebe, so Rohe, nicht die „eine Scharia“ – entsprechend könne sie nicht pauschal als „blutig“ verurteilt werden. Dennoch erkennt Rohe an, dass einzelne Texte des islamischen Rechts als gewaltlegitimierend interpretierbar seien. Dieses Gewaltpotenzial im Islam sei ein Problem, dem man sich stellen müsse, das aber auch in anderen Religionen existiere. Allerdings kümmerten sich, so der Islamwissenschaftler, viele Muslime gar nicht so sehr um die Schriftgelehrsamkeit, sondern lebten einen „moralisch-ethischen“ Islam. Hierbei werde die Scharia weniger als Regelwerk verstanden, sondern mit bestimmten Werten gleichgesetzt. Auch gebe es ganze Glaubensrichtungen im Islam, z. B. die Aleviten, welche die Scharia nicht als verbindlich ansähen.

Teil vier der Serie widmet sich dem Vorurteil, dass die Scharia für Muslime über dem Grundgesetz stünde. Rohe sagt hierzu, man könne Scharia und Grundgesetz nicht auf eine Ebene bringen. Die Scharia – kein Gesetzbuch, sondern eine islamische Normenlehre – habe laut Rohe sehr viele Elemente, die völlig mit dem Grundgesetz kompatibel seien. Außerdem gebe es in der Scharia den Grundsatz, dass in einem nicht-islamischen Land lebende Muslime die dort geltenden Gesetze respektieren müssten. Es gibt also, so Rohe, keinen notwendigen Gegensatz zwischen Scharia und Grundgesetz. Probleme könnten sich jedoch dann ergeben, wenn die Scharia von Extremisten als alleiniges Gesetz interpretiert werde.

Der fünfte Teil der Serie „Faktencheck Islam“ befasst sich mit der Debatte um die Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland. Rohe bezieht sich in diesem Beitrag auf Untersuchungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, die besagen, dass momentan ungefähr 4,4 bis 4,7 Millionen Muslime in Deutschland leben. Die meisten muslimischen Familien hätten gemäß Rohe eine Migrationsgeschichte und lebten in den alten industriellen Zentren, da ihre Zuwanderung vor allem im Zuge der Anwerbung von Gastarbeitern stattgefunden habe. Fast 50 Prozent dieser Muslime hätten deutsche Staatsbürgerschaft, so Rohe. Tendenziell gebe es durch Geburten im Inland immer mehr deutsche Muslime. Der Islam stehe einer Integration in keiner Weise entgegen, es sei denn, man folge islamistischen Interpretationen.

Der sechste Teil der Serie behandelt die Frage, ob der Koran die Unterdrückung der Frau predige. Das wahre Übel sei gemäß Rohe das Patriarchat. In der Tat gebe es im Koran Stellen, die man so auslegen könne, dass Frauen Männern untergeordnet seien. Diese würden von anderen Muslimen aber zeitgebunden gelesen. Nach dieser Lesart habe der Islam die damalige Position der Frauen verbessert und weitere zukünftige Verbesserung der Situation der Frauen zum Ziel. Insgesamt kommt Rohe zu dem Schluss, dass man auf Basis des Korans sowohl für, als auch gegen Gleichberechtigung argumentieren könne.

Im siebten Teil widmet sich Rohe dem Vorurteil, dass muslimische Männer Frauen den Handschlag verweigern würden. Die meisten Muslime hierzulande hätten kein Problem damit, dem anderen Geschlecht die Hand zu geben, weil sie wüssten, dass das hierzulande so üblich sei. Wird der Handschlag verweigert, so spielten vor allem kulturelle Gründe eine Rolle – die Verweigerung sei dann nicht als Missachtung zu verstehen, sondern als respektvolle Geste. Viele Muslime hätten eben eine Grundeinstellung, die von der Trennung der Geschlechter ausgehe, so Rohe.

Im achten Teil der Serie geht es um das Vorurteil der Radikalisierung von Muslimen in deutschen Moscheen. Rohe erklärt, es gebe keine verlässlichen Zahlen über die Verbreitung von radikalem Gedankengut. Es werde viel behauptet, aber wenig gewusst. Deswegen könne man nur von Einzelfällen ausgehen, die den Sicherheitsbehörden in der Regel bekannt seien. Das größere Problem seien Hinterhofzirkel, bei denen keiner so genau wisse, wo sie sich treffen.

In Teil Neun des Faktenchecks Islam klärt Mathias Rohe über die vielen Halbwahrheiten und Vorurteile zum Thema Kopftuch im Islam auf. Im Grunde gebe es nur wenige, vage Suren im Koran, die sich mit Bekleidungsvorschriften beschäftigten, verdeutlicht Rohe. Man solle sich „züchtig und anständig“ kleiden, aber das betreffe Frauen und Männer zugleich. An anderer Stelle heiße es, Frauen sollten sich den Kopf bedecken, ohne dass die Art und Weise genauer ausgeführt werde. Die Tradition, dass „ehrbare“ Frauen ihren Kopf zu bedecken hätten, stamme aus vorislamischer Zeit und finde sich auch in vielen anderen Kulturen. Mit Verweis auf das sprichwörtlicheunter die Haube kommen‘ macht Rohe deutlich, dass dies früher auch in Deutschland üblich gewesen sei.

In Teil Zehn des Faktenchecks setzt sich Rohe mit dem Vorurteil auseinander, dass der Islam keine intolerante Religion sei. Zunächst müsse man die menschliche und theologische Ebene unterscheiden. Ihm als Christ sei bei seinen Aufenthalten in verschiedenen orientalischen Ländern immer viel Respekt entgegengebracht worden. Auch wenn sich der Islam so wie auch andere Weltreligionen als die „Region der Wahrheit“ sehe, gebe es eine Grundhaltung des Respekts gegenüber anderen Glaubensrichtungen. Problematisch sei eher der Umgang mit Atheisten oder mit Leuten, die sich von der Religion abwenden möchten. In diesem Bereich gebe es noch ein hohes Maß an Intoleranz, doch das sei eher eine Erziehungsfrage, als ein festgelegtes Prinzip des Islam.

In Teil Elf beantwortet Rohe die Frage, ob alle Muslime im Ramadan fasten. Das Fasten sei ein „Zeichen einer gewissen äußeren Religiosität“ und ein soziales Event, zu dem man andere einladen und mit dem man auf sich aufmerksam machen könne. Daher nähmen viele Menschen diese religiöse Pflicht ernst. Es gebe aber auch viele Muslime, die mit dem Ramadan brechen – schon deswegen, weil es aus beruflichen Gründen nicht gehe. In einer mehrheitlich nicht-muslimischen Gesellschaft sei das Fasten nun einmal nicht so einfach. In islamisch-geprägten Staaten hingegen gehe es im Fastenmonat etwas ruhiger zu. Den Alkoholkonsum betreffend gebe es laut Rohe sowohl Muslime, die gar keinen Alkohol trinken, als auch solche, die dies nicht so streng sehen würden.

Teil Zwölf der Serie befasst sich mit dem Vorurteil, der Islam sei eine aggressive Religion. Der Islam sei generell „ungefährlich“, so Rohe – wegen der vielen ungefährlichen Muslime, die ganz normaler Bestandteil der Gesellschaft seien. Dennoch gebe es extremistische Haltungen beziehungsweise Interpretationen, die in der Tat sehr gefährlich sein könnten, wie bereits mehrere Attentate in Deutschland bereits gezeigt hätten. Genauso wie es also Gefahren „im Islam“ gebe, bestehe aber die Möglichkeit, durch eine pauschale Verdächtigung aller Muslime und blanken „Islam-Hass“ eigentlich die Gefahren erst zu schaffen, die man vermeiden möchte. Denn dadurch werde der islamische Extremismus gestärkt. Daher müssten die Extreme auf allen Seiten in Schach gehalten werden.

In Teil Dreizehn wendet sich Rohe dem Vorurteil zu, muslimische Jungs ließen sich nichts sagen. Hin und wieder würden Schüler mit Zuwanderungsgeschichte die Autorität ihrer Lehrerinnen in Frage stellen. Diese Verhaltensweise habe jedoch weniger mit der Herkunft als mit der Erziehung der Kinder zu tun, so Rohe. Die Kultur, und die patriarchale Erziehung, nicht die Religion, seien größtenteils Schuld an dem „Machogehabe“. Nicht selten seien es gerade die Mütter, die ihren Söhnen beibrächten, sich und die Familie verteidigen zu müssen. Doch selbstverständlich sei eine solche Erziehung nicht immer der Fall.

In Teil Vierzehn der FOCUS-Reihe beschäftigt sich Mathias Rohe mit Friedensrichtern. Er erklärt, unter Friedensrichtern verstehe man Leute, die innerhalb von Großfamilien Konflikte schlichteten. Friedensrichter könne man durch Autorität und Macht werden, die Größe und das Ansehen der Familie spielten dabei eine besonders große Rolle. Laut Rohe würden diese Schlichter jedoch überschätzt. Das dahintersteckende Phänomen nenne sich Paralleljustiz – also der Versuch, Konflikte intern zu halten und sich auch gegen das geltende deutsche Recht zu entscheiden, Zeugen und Opfer unter Druck zu setzen sowie die eigene Familie zu schützen. Derzeit könne man sehr viel Dilettantismus und manchmal auch den Versuch, „dem Rechtsstaat auf der Nase herum zu trampeln“, beobachten, das dürfe man sich nicht gefallen lassen. Rohe spricht von einer Bedrohung des Rechtsstaates, man müsse zusehen, dass man die „Szene aufbrechen kann“. Gelingen könne das aber nur, wenn man Vertrauen in deutschen Institutionen schafft. Den Muslimen müsse mit Aufklärungsmaßnahmen klargemacht werden, dass die Gerichte hierzulande die besseren Streitschlichter sind.