Auch im Südwesten gibt es Paralleljustiz – Studie von Mathias Rohe

Mathias Rohe am Rednerpult bei der Vorstellung der ersten Ergebnisse
Bild: Bayerische Akademie der Wissenschaften

Am Montag, 15.07.2019, stellte EZIRE-Direktor Mathias Rohe in Stuttgart seine neue Studie vor – das Ergebnis: Auch in Baden-Württemberg untergraben Fälle von Paralleljustiz den Rechtsstaat. Als Paralleljustiz werden Formen der Konfliktlösung bezeichnet, die gegen rechtsstaatliche Regeln verstoßen. Die Lage sei zwar nicht dramatisch im Südwesten, aber es gebe auch hier Probleme, bilanzierte Rohe seine Untersuchung, für die er Interviews mit anderen Experten im Land führte: „Der Rechtsstaat ist kein Selbstläufer, der von allen akzeptiert und verstanden wird“.

Rohe berichtet etwa von dem Milieu der Reichsbürger und Selbstverwalter, die eine „Gegenrechtsordnung“ anstrebten. Oder von abgeschotteten und patriarchalisch strukturierten Großfamilien, in denen ein starker Ehrbegriff herrscht und in denen Sozialnormen wichtiger seien als das Recht. Auch in einzelnen Flüchtlingsgruppen bestünden Tendenzen zur außerrechtlichen Konfliktlösung, teilte das Justizministerium mit. Rohe sagte, auch Jesiden, die Jahrhunderte der Verfolgung hinter sich haben und sich immer schützten mussten gegen eine Mehrheitsgesellschaft, hätten Mechanismen entwickelt, die es einzelnen Mitgliedern schwer machten, herauszukommen.

„Es gibt hier ein nennenswertes Problem für den Rechtsstaat – wir können nicht sagen, wie massiv es ist“, sagte Rohe. Das Dunkelfeld könne nicht erhellt werden, weil die Ressourcen fehlten und man auf eine Mauer des Schweigens treffe. Aber es bestehe Handlungsbedarf. Man dürfe das Vorfeld nicht außer acht lassen. „Paralleljustiz fällt nicht vom Himmel, sondern entsteht sukzessive.“ Schon bei Hochzeitskorsos müsse man niedrigschwellig eingreifen. Der Rechtsstaat müsse Druck machen, empfiehlt der Experte – und gleichzeitig Prävention fördern. Es brauche dringend mehr Ressourcen, etwa mehr Plätze in Schutzhäusern.

Die Studie empfiehlt konkret unter anderem schnelle staatliche Reaktionen auf Straftaten, etwa durch beschleunigte Verfahren. Ebenso soll die Verweisung auf den Privatklageweg, wie er etwa bei Beleidigungen erfolgen kann, nur nach sorgfältiger Einzelfallprüfung erfolgen. Außerdem müsse aus Straftaten erworbenes Vermögen schneller und umfassender abgeschöpft werden.

Über die Studie, die am 15.07.2019 in Stuttgart vorgestellt wurde, berichteten unter anderem die Süddeutsche Zeitungwelt.de, der Südkurier, die Stuttgarter NachrichtenSWR Aktuell, der Schwarzwälder Bote, n-tv,  t-onlineswprtl.de sowie die Pforzheimer Zeitung.